Ich fasste mir leicht an die Schläfen, während ich durch den Park schlurfte. Würden diese dämlichen Kopfschmerzen irgendwann mal aufhören? Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Die warme Sonne tat gut, auch wenn ich keine Ahnung hatte wo ich eigentlich hinlief. Seitdem ich mein Gedächtnis vor einem Jahr verloren hatte, hatte ich von rein gar nichts mehr eine Ahnung. Klar die Sozialhelfer hatten mir geholfen allein klar zu kommen. Ich hatte einen neuen Job von dem ich gut leben konnte, aber irgendetwas fehlte. Ich kramte das Foto, welches das einzige Überbleibsel aus meiner Vergangenheit war, aus meiner Hosentasche. Auf dem Bild waren einige Personen aber ich konnte mich nicht an eine einzige von ihnen erinnern.
Nachdem ich Zuhause etwas Obst zum Frühstück zu mir genommen hatte brauchte ich einfach etwas frische Luft und begab mich hierher. Das war der beste Ort um ab und zu mal den Kopf frei zu kriegen. Chace und ich waren früher öfters hier. Vielleicht kam ich auch deswegen noch so gerne hierher. Ich lief etwas durch die gegend mit ständig gesenktem Blick und begab mich zu unserem früheren Lieblingsplatz genau an dem kleinen See oder zu groß geratenem Teich, wie auch immer man es sehen wollte. Seufzend setzte ich mich, kramte mein tagebuch und einen Stift heraus und schrieb hinein was. Wenn ich so darüber nachdachte war es lange her, dass ich das letzte mal etwas in mein tagebuch geschrieben hatte.
Ich starrte eine Weile auf das Bild, bevor ich es wieder zurück in meine Tasche schob und weiterging. Wenn ich es zu lange ansah wurden die Kopfschmerzen nur schlimmer. Ich suchte mir einen ruhigen Platz am See und setzte mich ins Gras. Wieder schloss ich die Augen und lehnte mich einen Augenblick zurück. Die letzten Tage kam ich öfter hier her. Warum.. das wusste ich nicht. Ich öffnete die Augen wieder und sah mich ein wenig um. Auf der rechten Seite konnte man Kinder rumtoben hören und auf der anderen Seite des Sees lief ein verliebtes Pärchen entlang. Schräg gegenüber von mir saß ein junges Mädchen und schrieb irgendwas in ein Buch. Wahrscheinlich ihr Tagebuch. Alles war ruhig, wenn nur diese Kopfschmerzen nicht wären. Ich rappelte mich auf und ging zu dem Mädchen rüber. Vielleicht konnte sie mir ja aushelfen, andererseite würde ich wohl zur nächsten Apotheke latschen müssen. "Entschuldigen Sie bitte die Störung aber haben sie zufällig ein paar Aspirin dabei?", fragte ich höflich.
Während ich in mein tagebuch schrieb beschlich mich irgendwie so ein vertrautes Gefühl, nur konnte ich es wirklich überhaupt nicht einordnen. Mir wurde plötzlich einfach ganz warm und ich fühlte mich nicht mehr als müsste ich jeden Moment los heulen. Das war schon merkwürdig. Trotzdem schrieb ich unbeirrt weiter in das Buch. Als ich plötzlich angesprochen wurde stockte mir fast der Atem. Ich hatte nicht aufgesehen, jedoch kam mir diese Stimme so unendlich vertraut vor oder bildete ich mir das ein. Ich schüttelte den Kopf. das konnte nur Einbildung gewesen sein. "Ja..ich glaube schon." Antwortete ich mit etwas zittriger Stimme und fing an in meiner Tasche rum zu kramen. Ich hatte eigentlich immer Medikamente dabei. Man wusste ja nie was passieren würde. Als ich sie gefunden hatte blickte ich das erste mal zu dem jungen Mann neben mir und war schon dabei ihm die Packung zu reichen als sie mir vor Schreck aus der Hand fiel. War das gerade ein Scherz gewesen oder so? Entgeistert und schockiert sah ich ihn an. jetzt hatte ich wohl schon komplette Halluzinationen. Der sah genauso aus wie Chace! mein Chace! Ich wusste doch wie der aussah! "ehm..ich...tut mir leid.." stammelte ich verunsichert und hob die Packung wieder auf nachdem ich meine Stimme wiedergefunden und meinen Körper wieder unter Kontrolle hatte. Trotzdem konnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden. Mein Herz schlug wie verrückt gegen meine Brust. Wie konnte das sein? Aber es konnte gar nicht Chace sein. Chace war tot und selbst wenn nicht, wie auch immer das möglich sein sollte, dann wäre er mich doch längst suchen gekommen. Was heisst suchen, er wusste ja wo ich wohnte. Aber auch dieser mann schien mich nichtmal zu erkennen. Gut ich hatte zwar viel Gewicht verloren, aber wirklich verändert hatte ich mich sonst nicht. Ich reichte ihm wieder die Tabletten und meine Flasche Wasser während ich versuchte mich zu beruhigen.
Ich schien das arme Mädchen erschreckt zu haben. Ich runzelte die Stirn und ging in die Hocke. "Ist alles in Ordnung mit Ihnen Miss? Falls ich sie erschreckt haben sollte tut es mir leid.", sagte ich schnell. Sie zitterte total als sie mir die Tabletten gab. War ich so zum fürchten? Ich nahm die Tabletten und das Wasser dankend an und nahm auch gleich eine. Ich setzte mich langsam neben sie und sah sie fragend an. Nicht das sie einen Anfall bekam oder so. Sofort reichte ich ihr das Wasser was sie mir gegeben hatte. "Trinken Sie lieber selber einen Schluck und atmen sie tief durch."
Ich nickte nur wortlos und immernoch komplett verwirrt und fassungslos als er mich fragte ob alles in Ordnung sei. Er konnte ja nichts dafür, dass er so aussah wie mein toter ex-Freund bzw Verlobter. Für ein paar Minuten schloss ich dann meine Augen und atmete tief durch um mir selbst klar zu machen, dass es nicht Chace war. Er konnte es nicht sein. Und doch versuchte mein Herz mir etwas vällig anderes zu erzählen. Das war echt abgedreht. Jedoch kam ich langsam wieder zu mir und auch mein gesicht bekam wieder ein wenig Farbe. Dankend nahm ich das Wasser und trank einen großen Schluck bevor ich die Flasche wieder zu drehte. "Tut mir leid, wenn ICH SIE erschreckt habe.. Sie erinnern mich nur an jemanden." Gestand ich und schüttelte etwas beschämt den Kopf. Oh Gott, der arme Kerl. Wahrscheinlich hatte er gedacht ich würde jeden Moment einen Herzinfarkt oder so beommen.
"Ist schon in Ordnung." sagte ich ruhig und sah sie besorgt an. Ich dachte echt sie kippt jeden Moment um. "Ich erinner sie an jemanden?" fragte ich nach und runzelte leicht die Stirn. Vielleicht konnte sie mir ja mehr helfen als gedacht. "Darf ich fragen an wen ich sie erinnere?" Ich sah sie fragend an und hoffte sie würde mich jetzt nicht für irgendeinen Irren halten, der sich in fremder Leute Privatsachen einmischte.
"Oh.. nur an jemanden der.. vor einiger Zeit gestorben ist.." Ich wusste nicht wieso aber es fiel mir unendlich schwer das auszusprechen obwohl ich es schon seit einem Jahr wusste. Ich atmete tief ein und leise wieder aus. Mein Blick war auf den kleinen See gerichtet. Die Erinnerung schmerzte immernoch sehr. Aber ich war eigentlich daran gewohnt. "Tut mir wirklich leid. Ich war nur etwas geschockt. Die Ähnlichkeit ist einfach verblüffend." Ich lächelte ihn liebevoll an und packte dann die Flasche und die Medikamente wieder ein. "Geht es Ihrem Kopf schon besser?" Fragte ich dann nach. Ich ging mal davon aus, dass er Kopfschmerzen gehabt hatte wieso auch immer. Hätten ja genauso gut magenkrämpfe sein können. "Oder sollte ich lieber einen Arzt rufen?"
"Oh.. das tut mir leid.." sagte ich leise. Anscheinend konnte sie mir doch nicht helfen wenn dieser Kerl dem ich ähnlich sah schon vor einer Weile gestorben ist. Schade.. Ich seufzte kurz und schüttelte dann den Kopf. "Es geht schon. Danke nochmal", sagte ich und rieb mir leicht die Schläfen. "Ich denke ich muss mit den Kopfschmerzen einfach leben wie sonst auch immer." ich lachte leicht. Immerhin hatte ich den Unfall überlebt.. ich sollte dankbar sein und mich nicht über läppische Kopfschmerzen beschweren.
"Muss es nicht.. ist schon okay. Es ist ein jahr her und ich sollte wohl..langsam drüber hinweg sein." ich nickte leicht und setzte ein eher gekünsteltes Lächeln auf. Sonst bemerkte das ja auch niemand. "Aber warum fragst du eigentlich? Und wieso mit Kopfschmerzen leben? Wenn du das öfters hast, solltest du vielleicht wirklich mal zum Arzt." Nun fing ich doch an mir Sorgen zu machen. Immerhin könnte das ja etwas ernstes sein. Auch wenn es mich eigentlich gar nichts an ging. Vielleicht lag es daran, dass er ihm so ähnlich sah. "Ohje, tut mir leid.. das geht mich eigentlich gar nichts an." Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe, klappte nun endlich mein Tagebuch zu und legte es beiseite. "Ich meine nur.. wenn man dauernd Kopfschmerzen hat, bedeutet das meistens nichts gutes."
"Ein Jahr? Das ist ja dann noch gar nicht so lange her.." sagte ich und sah sie dann an. "Sie müssen meinetwegen nicht lächeln. Ich versteh das schon" sagte ich freundlich. Ich schüttelte den Kopf. "Die Kopfschmerzen hab ich jetzt knapp ein Jahr. Hat anscheinend psychische Ursachen da können auch die Ärzte mir nicht helfen. Ist schon okay"
Etwas verwundert sah ich ihn an als er meinte das wäre ja noch gar nicht so lange her. Meinte er das jetzt ernst? "Wow.. Sie sind der erste der mir das sagt. Sonst hör ich immer nur sowas wie "Hey, es ist jetzt schon ein jahr her, meinst du nicht du solltest das langsam mal vergessen?" Naja ich weiss nicht ob sie Recht haben. Vielleicht." Murmelte ich, sah ihn kurz an und dann auf meine Tasche während ich etwas verunsichert mit meinen Händen spielte. Es war schon merkwürdig, dass ich ihm sowas überhaupt erzählte wo ich doch sonst so verschlossen war. Ich verstand mich selbst gerade nicht so richtig. "Oh, achso. Das wusste ich nicht, tut mir leid. Aber psychische Ursachen? Ich meine, ich weiss nicht.. ich kenn sowas nur wenn jemand eine starke Gehirnerschütterung hatte oder sein Gedächtniss verloren hat oder sowas. Aber ich kenn mich damit auch nicht so gut aus."
"Naja ich finde wenn man einen geliebten Menschen so plötzlich verliert dauert es mehrere Jahre bis man darüber hinwegkommt und sein Leben normal weiterführen kann." sagte ich. ich wusste das ich sie nicht aufmuntern konnte aber vielleicht half es ihr wenn sie wusste das es wen gab der sie versteht. "Ja naja.. ich hab das seit dem Unfall damals. Ich kann mich an kaum was erinnern und der Arzt meinte das die Kopfschmerzen daher kommen das mein Gehirn versucht sich zu erinnern und es sich dadurch überanstrengt. Alles was ich tun kann ist Medikamente nehmen um die Schmerzen zu überbrücken.", erklärte ich dann.
"Ja, im Normalfall ist das wohl so. In meiner Familie ist das nicht so." gestand ich und musste irgendwie ein bisschen grinsen, auch wenn es dafür keinen Grund gab. Ich wollte ihn gerade fragen ob er auch schon jemanden verloren hatte bis er meinte er konnte sich wirklich an nichts mehr erinnern. Sich selbst zu verlieren ist wohl noch schlimmer als jemanden zu verlieren dem man nahe steht. Dann verlor man ja wirklich alles. Seine Familie, Freunde, alles. "wow.. das tut mir wirklich leid. Ich könnte jetzt so tun als würde ich wissen wie sich das anfühlt, aber..ich glaube das weiss nur jemand der das selbe durchgemacht hat." Murmelte ich dann in Gedanken. Wow ich saß hier und jammerte ihm die Ohren voll über meinen toten Ex und dabei hatte es ihn noch viel schlimmer getroffen. Irgendwie schämte ich mich jetzt dafür.